Zwänge - Zwangsstörungen

Eigenschaften wie Genauigkeit, Ordnung, Sauberkeit, Sicherheit werden in unserer Gesellschaft als überaus positiv empfunden, wenn sie in einem gesunden Rahmen beim Menschen vorhanden sind. Allerdings können alle noch so positiv angesehen Eigenschaften in Extreme münden, die dann allerdings als ausgeprägt krankhaft gelten und man dann von einer Zwangsstörung oder einer anankastischen Persönlichkeitsstörung ausgehen muss..

Bei einer Zwangsstörung, auch bezeichnet als Zwangsneurose, handelt es sich um - wie der Name schon ausdrückt - zwanghaftes Verhalten, das eine enorme Beeinträchtigung des alltäglichen Lebens verursacht und die Betroffenen werden in mehr oder weniger starke Leidenszustände versetzt. Im ICD-10-Lexikon (Internationale Klassifikation psychischer Störungen) wird "Zwang" wie folgt definiert:

"Zwang fasst im Deutschen die beiden Begriffe obsession (Zwangsgedanken) und compulsion (Zwangshandlungen) zusammen und bezieht sich sowohl auf Zwangsgedanken,´Zwangsdenken, Zwangshandlungen und Zwangsimpulse. Zwang wird als ichfremd erlebt und kann nicht willentlich beeinflusst werden, wenngleich Zwänge als unsinnig erlebt werden. Bei Unterdrückung des quälenden Erlebens Auftreten von Angst. Zwang wird wegen des Persistierens bestimmter Denkinhalte als inhaltliche Denkstörung angesehen. Auftreten bei unterschiedlichen nichtpsychotischen und psychotischen Störungen."

Die Hauptsymptome sind bei dieser Erkrankung so stark ausgeprägt, dass sie für den Leidenden und sein Umfeld zu einer großen Belastung werden. Die am häufigsten auftretenden Zwangshandlungen sind Kontrollzwang, Waschzwang, Zählzwang, verbaler/nonverbaler Zwang, Ordnungszwang mit Übergenauigkeit und Symmetrie sowie das Horten von Gegenständen. Hier einige praktische Beispiele dazu: Beim Kontrollzwang geht es immer wieder darum, ein absolutes Sicherheitsgefühl zu erlangen. Ein Betroffener verlässt das Haus und muss ständig zurückkehren, um sich zu vergewissern, ob die Tür abgesperrt ist, das Bügeleisen oder der Herd abgedreht wurde etc.

Dabei kann es dazu kommen, dass eines davon bis hin zu allen aufgezählten Beispielen oder darüber hinaus kontrolliert werden MUSS und dies findet in Extremfällen bis zu fünfzig Mal oder noch häufiger statt, was bei diesem Leiden zusätzlich enormen Zeitverlust und daraus resultierendes ständiges Zuspätkommen zu Terminen die Folge ist. Beim Waschzwang geht es darum, alles so sauber zu bekommen bis es nach eigener Ansicht am besten bakterienfrei geworden ist. Das können Gegenstände, der eigene Körper bzw. Körperteile sein. Die Folgen sind stundenlanges Waschen und Reiben bis hin zu aufgescheuerten wunden Händen, Armen etc. und ein enormer Wasser- und Waschmittelverbrauch inklusive hoher Nachzahlungen das Wasser betreffend. Beim Zählzwang, auch bezeichnet als Arithmomania, geht es um einen unwiderstehlichen Zwang alles Mögliche zu zählen, was einem unterkommt (Menschen, Autos, Gebäude, Fenster, Türen, Randsteine, Kacheln, Rillen etc.), wobei sich ansonsten bei einer Verhinderung Angst entwickelt. Beim verbalen/nonverbalen Zwang fühlen sich die Leidenden dazu gezwungen, bestimmte Sätze, Ausdrücke, Gebete aber auch Melodien ständig laut zu wiederholen oder innerlich zu formulieren. Beim Ordnungszwang geht es um übertriebene Genauigkeit in allen Belangen und um symmetrische Anordnungen von Gegenständen wie z.B. dass alle Bleistifte immer gespitzt sein müssen und sämtliche Gegenstände auf einem Schreibtisch exakt in Reihen symmetrisch millimetergenau angeordnet sein müssen. Es ließen sich noch zahlreiche Beispiele anführen, wie Zwangshandlungen aussehen können. Bei Zwangsgedanken oder Grübelzwang treten zwanghafte Ideen oder bildhafte Vorstellungen auf. Nicht selten kommt es dabei zu einer endlosen Überlegung unwägbarer Alternativen, häufig einhergehend mit einer Unfähigkeit, einfache aber notwendige Entscheidungen des täglichen Lebens zu treffen. Grübelzwang kann häufig gemeinsam mit Depressionen auftreten.

 

Zwangsimpulse

Zwangsimpulse sind sich zwanghaft aufdrängende innere Antriebe, wonach sinnlose oder als gefährlich empfundene Handlungen durchgeführt werden sollen, wobei es aber in der Regel nie zu deren tatsächlichen Ausführungen kommt. Beispiele dafür sind Mordimpulse, der Drang jemanden verletzen zu wollen oder der Zwangsimpuls in einer schweigenden Gemeinschaft plötzlich laut schreien zu wollen.

Eine schwächere Form von Zwangserkrankung ist die sogenannte anankastische Persönlichkeitsstörung ("anankä" kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie Notwendigkeit, Zwang, Bedrängnis). Diese psychische Störung ist im ICD-10-Lexikon so definiert:

"Eine durch Gefühle von Zweifel, Perfektionismus und übertriebene Gewissenhaftigkeit gekennzeichnete Persönlichkeitsstörung, verbunden mit ständigem Kontrollieren, Halsstarrigkeit, Vorsicht und Rigidität. Derartige Personen sind oft perfektionistisch und übergenau und haben fortwährend das Bedürfnis alle Einzelheiten wiederholt zu überprüfen. Beharrliche oder unerwünschte Gedanken oder Impulse können bestehen, erreichen aber nicht die Schwere einer Zwangsstörung."

 

Behandlung von Zwängen

Die Personenzentrierte / Klientenzentrierte Psychotherapie als Gesprächspsychotherapie kann zur Entlastung und in Folge zur Linderung des Leidens beitragen. Dabei kann jedoch aufgrund der unterschiedlichen Persönlichkeiten und Erkrankungsformen nicht vorausgesagt werden, wie lange Therapie notwendig ist. Es ist dabei auch zu bedenken, dass parallel dazu eine Konsultation eines Facharztes für Psychiatrie erforderlich sein kann und entsprechend Psychopharmaka verschrieben werden.

Psychotherapie DDr. Anton Wambach